IDA FINK: DER TISCH

War der Tisch nun groß oder klein? Stand er schon da oder wurde er auf den Platz getragen? Gab es ihn überhaupt? Ist es wichtig? Ist so etwas wichtig, wenn vier Überlebende von einer Selektion und Massenerschießung berichten? „Der Schnee auf den Straßen der Stadt war rot. Rot! Genügt das?“

Ida Fink nennt „Der Tisch“ ein Stück für vier Stimmen und Basso ostinato. Die vier Stimmen sind die vier Überlebenden; das sich ständig wiederholende Bassmotiv ist das Fragen: was ist passiert, was genau ist passiert; an was wird sich erinnert und auf welche Art und Weise.

Vier Überlebende – zwei Frauen und zwei Männer – legen Zeugnis ab von einer Selektion in einer kleinen Stadt; über 1200 jüdische Menschen wurden Opfer dieser Aktion der Gestapo, Anfang der 1940er Jahre.

Solche Aktionen sind der Kristallisationspunkt des Stückes und des Werkes von Ida Fink. Selbst Überlebende jener Aktionen, schreibt sie vom Aufkommen des Begriffes ‘Aktion’, von den Geschehnissen währenddessen, von der Ausgesetztheit der Opfer, dem Sterben der Menschen, dem Leben der Menschen – dem Menschen selbst.

1921 im ostpolnischen Zbaraž, dem heute ukrainischen Sbarasch geboren, überlebte Ida Fink verschiedene Selektionen in ihrer Heimatstadt und schließlich mit falscher Identität – als polnische Zwangsarbeiterin – in Deutschland. 1957 wanderte die studierte Musikerin von Polen nach Israel aus, wo sie 2011 starb.
Als Schriftstellerin debütierte sie spät; 1985 erhielt sie den erstmals verliehenen Anne Frank-Literaturpreis, 2008 den Israel-Preis für Literatur u.a.
Für Yad Vashem führte Ida Fink Interviews mit anderen Überlebenden. Neben ihren eigenen, authentischen Erfahrungen finden sich in „Der Tisch“ weitere Perspektiven und Zeugenschaften. Fiktiver Ausgangspunkt sind Zeugenbefragungen für einen Prozess gegen die Täter.

Die deutschsprachige Erstaufführung findet nun in einem Haus der Täter statt, in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, wo am 20. Januar 1941 die Besprechung zur „Endlösung der Judenfrage“ abgehalten wurde.
Am 20. Januar 2018 wird das Publikum dort, bei einem Gang durch die Ausstellung, erstmals eine Inszenierung von Ida Finks „Der Tisch“ zu sehen bekommen.

Es spiel-t-en Laura Mitzkus / Heidi Wagner, Isabella Szendzielorz / Astrid Kohlhoff, Tim Mackenbrock / Manolo Palma, Charles Toulouse; Christian Tietz inszeniert.

Deutschsprachige Erstaufführung am 20. Januar 2018 im Haus der Wannsee-Konferenz. Wiederaufnahme am 26. Januar 2019 im TAK, im Theater im Aufbau-Haus. – Im Anschluss an die Vorstellung am 27.1. fand eine Podiumsdiskussion statt: “Der Genozid von 1942 und der Antisemitismus von 2019.”  Mit Susanne Heim (Institut für Zeitgeschichte München), Gideon Botsch (Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam), Naomi Czernetzki (Halvorsen Schule Berlin), Gunnar Meyer (BildungsBausteine e.V.) – Den Flyer der Veranstaltung gibt es hier.

Am Sonntag, 21. Februar 2021 zeigten wir das Stück als Stream, auf dringeblieben.de  – Anschließend fand ein Publikumsgespräch auf Zoom statt: “Eine Massenerschießung, die Rechtsprechung und ein Theaterstück.” Mit Dr. Tina Heidborn (Moderation; Osteuropa-Historikerin und Journalistin), Dr. Hans-Christian Jasch (Rechtshistoriker, Co-Autor “Der Holocaust vor deutschen Gerichten), Ingrid Damerow (Osteuropa-Historikerin; Recherche für die DEA im Haus der Wannsee-Konferenz) & dem Ensemble.

Kritiken der Erstaufführung: in der taz vom 22.01. (pdf) sowie im Neuen Deutschland vom 27/28.01. (pdf).

Mit freundlicher Unterstützung der Heinz und Heide Dürr Stiftung, der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz sowie dem Haus der Jugend Zehlendorf.

Charles Toulouse, Isabella Szendzielorz, Tim Mackenbrock, Laura Mitzkus; Fotos: Kai Otte