DIE ZWEI SCHWESTERN LASERSTEIN

Im Sommer 2019 war in Berlin die große Lotte Laserstein-Ausstellung zu sehen; wir waren unter den 88.851 Besucher*innen der Berlinischen Galerie. Ihre Schwester Käte war Lehrerin an unserer Schule, der heutigen Halvorsen Schule. Aus beidem machen wir ein Theaterstück über beide. Unser Recherche-Theater-Projekt heißt DIE ZWEI SCHWESTERN LASERSTEIN.

Die zwei Schwestern Laserstein sind 12 und 14 Jahre alt, als die Mutter mit ihnen nach Berlin zieht; der Vater war früh gestorben. Lotte und Käte machen Abitur und studieren. Lotte kommt auf die staatliche Kunsthochschule und wird Meisterschülerin. Käte promoviert, publiziert drei wissenschaftliche Arbeiten zur Literaturgeschichte und entscheidet sich schließlich, Lehrerin an Höheren Schulen zu werden. Lotte bezieht als Malerin ihr eigenes Atelier und feiert ihre ersten künstlerischen Erfolge. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten können beide ihre Berufe nicht mehr ausüben; Käte wird aus dem Schuldienst entlassen, Lotte darf nicht mehr ausstellen, ihre Malschule wird geschlossen. 1937 nutzt Lotte eine Ausstellung in Stockholm um nach Schweden zu emigrieren; Käte taucht 1942 unter und überlebt in der Illegalität, in einer Berliner Laube. Die Mutter, Meta Laserstein stirbt 1943 im KZ Ravensbrück.

Mit privaten Porträtaufträgen baut sich Lotte in Schweden eine künstlerische Existenz auf. Käte kehrt 1954 nach Berlin zurück – acht Jahre lebte auch sie in Stockholm – und unterrichtet bis zu ihrem Tod (1965) an der Getrauden-Schule – der heutigen Gail S. Halvorsen Schule – Deutsch und Englisch. Lotte wird wenige Jahre vor ihrem Tod (1993) wiederentdeckt; auf dem Kunstmarkt sind ihre Gemälde heute Millionen wert.

Für DIE ZWEI SCHWESTERN LASERSTEIN haben wir Lottes Bilder und eine gründliche Schilderung ihres Werkes und Lebens. Von Käte gibt es zahlreiche Briefe (aus den 1950er Jahren), einen Aufsatz über sie als Germanistin und die Erinnerungen ihrer ehemaligen Schüler*innen. Mit diesen Werken, Hinterlassenschaften und Spuren sowie unseren Fragen und Recherchen und unserem Malen und Spielen entsteht ein Theaterabend.

Am 10. und 12. Dezember zeigen wir DIE ZWEI SCHWESTERN LASERSTEIN in der Aula, in der 1957 Käte die Rede für ihre ersten Abiturientinnen hielt.

Der 9er Kunst-Kurs der Halvorsen Schule recherchiert und malt und spielt: Antonia Kasparek, Armağan Arslan, Darlene Wendt, Emmi Guse, Israa Tohme, Jasmin Lampe, Joyce Richter, Laura Peter, Michelle Meyer, Patrick Brinkmann, Ruben Miersch, Samson Kühn, Sarah Jacobs, Steven Bachmaier, Tarek Korkmaz und Vincent Francioso. Unter der Leitung von Christian Tietz, Charles Toulouse, Kathrin Aurich und Gisela Hilbert-Irmer.

Gefördert vom Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung und der Gail S. Halvorsen Schule.

Uraufführung am 10. Dezember 2019 in Berlin-Dahlem. Am 11. Januar war beim Tag der Offenen Tür der Halvorsen Schule eine Kurzfassung des Stückes zu sehen. Im Berliner Abgeordnetenhaus, beim Jugendforum denk!mal20 wurden DIE ZWEI SCHWESTERN LASERSTEIN in der Ausstellung gezeigt. – 2021 gab es ein erstes Nachfolgeprojet: LASERSTEINS ORTE – mit zwei Schauspielerinnen an der ersten und letzten Adresse der Lasersteins in Berlin. Und 2022 ein zweites, wieder mit Laura Mitzkus und Greta Galisch de Palma: LASERSTEIN OLLENDORFF (FRIEDLAENDER)

Den Flyer DIE ZWEI SCHWESTERN LASERSTEIN finden Sie hier. Und den Trailer zum Stück gibt es hier.

ANNE MARIE

ANNE MARIE. Von der Argentinischen Allee 20 zur 20 East 62nd.

Anne Marie. Annemarie. AnneMarie. Anne-Marie. Genannt Busch. Oder Bouche. Meier-Graefe. Broch. Geborene Epstein. Aufgewachsen in der Argentinischen Allee 20 (Berlin), u.a. wohnhaft in der 20 East 62nd (New York), gestorben in Saint-Cyr-sur-Mer, rund 50km östlich von Marseille. Diesen Weg schreiten wir ab und schauen auf 88 Jahre, auf ein Leben, dessen Mittelpunkt wohl bei uns um die Ecke gelegen hätte. Anne Marie war 27 Jahre alt, als sie vertrieben wurde, als deutsche Jüdin. Ihre Geschichte handelt von Verfolgung und Exil und vom Kampf um Selbstbestimmung, von der Autonomie als Künstlerin.
Unser Recherche-Theater-Projekt für Jugendliche beginnt im März und endet mit drei Werkstattaufführungen im November.

Im Frühjahr 2017 zeigten wir Anne Marie zum ersten Mal, aber nur kurz: in „Arg28. Das Haus und der Turm der blauen Pferde“. Die Argentinische Allee 20 – die Epstein-Villa – war das architektonische Vorbild der Argentinischen Allee 28, dem heutigen Haus der Jugend, wo unsere Aufführungen auch stattfanden. Das Publikum begegnete Bewohnern, Besuchern und Nachbarn des Landhauses am Zehlendorfer Waldsee. Anne Marie (1905-1994) war eine von ihnen, das einzige Kind von Elsbeth-Luise und Walter Leo Epstein. Ihr Vater starb früh, 1918, er bekam ein Ehrengrab in Nikolassee; ihre Mutter wurde 1942 deportiert und in Maly Trostenez bei Minsk erschossen. Anne Marie lebte mit ihrem ersten Mann im französischen Exil und floh nach dessen Tod in die USA. 1951 besuchte sie zum ersten Mal ihr altes Zuhause; ihr neues suchte sie in der Provence. War Anne Marie eine berühmte Persönlichkeit? Oder hatte sie nur zwei berühmte Ehemänner? Stand sie auf dem Foto links neben Thomas Mann als Frau des Kunstkritikers Julius Meier-Graefe; wurde sie als Frau des Literaturnobelpreis-Kandidaten Hermann Broch von Hannah Ahrendt fotografiert? Anne Maries Briefe erzählen nicht nur vom Leben und Überleben, sondern auch von der Existenz als Künstlerin, von der Suche nach einem Ort für sich.

Es recherchieren / lesen / spielen: Beate Niemann, Ben Petrioli, Hannelore Wücke,  Lena Hoffmann, Lina von Kries, Lisa Haucke, Joshua Engel, Rubina Franke, Tabea Goßlau; Leitung: Christian Tietz
Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung.

Uraufführung am 2. November 2018 im Haus der Jugend Zehlendorf. Wiederaufnahme am 11. Januar 2019. – Am 30. Januar waren Ausschnitte beim Jugendforum „denk!mal19“ im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen. Trailer und Live-Mitschnitt s.u.

2023 machte Thea Schaare einen kurzen Animantionsfilm über Anne-Marie und ihren Besuch in Berlin im März 1951, ihr Wiedersehen mit dem Haus in der Argentinischen Allee.

Der Kurzfilm war Teil der Ausstellung des Jugendforums denk!mal24 im Berliner Abgeordnetenhaus und ist nun auf Youtube zu sehen.

 

Fotos: Kai Otte

Anlässlich des Jugendforums ‚denk!mal‘ zum internationalen Gedenktag an die NS-Opfer war ANNE-MARIE am 30.1. zu Gast im Abgeordnetenhaus. Hier der Link zur TV–Übertragung.

Den Flyer zum Stück finden Sie hier.

IDA FINK: DER TISCH

War der Tisch nun groß oder klein? Stand er schon da oder wurde er auf den Platz getragen? Gab es ihn überhaupt? Ist es wichtig? Ist so etwas wichtig, wenn vier Überlebende von einer Selektion und Massenerschießung berichten? „Der Schnee auf den Straßen der Stadt war rot. Rot! Genügt das?“

Ida Fink nennt „Der Tisch“ ein Stück für vier Stimmen und Basso ostinato. Die vier Stimmen sind die vier Überlebenden; das sich ständig wiederholende Bassmotiv ist das Fragen: was ist passiert, was genau ist passiert; an was wird sich erinnert und auf welche Art und Weise.

Vier Überlebende – zwei Frauen und zwei Männer – legen Zeugnis ab von einer Selektion in einer kleinen Stadt; über 1200 jüdische Menschen wurden Opfer dieser Aktion der Gestapo, Anfang der 1940er Jahre.

Solche Aktionen sind der Kristallisationspunkt des Stückes und des Werkes von Ida Fink. Selbst Überlebende jener Aktionen, schreibt sie vom Aufkommen des Begriffes ‚Aktion‘, von den Geschehnissen währenddessen, von der Ausgesetztheit der Opfer, dem Sterben der Menschen, dem Leben der Menschen – dem Menschen selbst.

1921 im ostpolnischen Zbaraž, dem heute ukrainischen Sbarasch geboren, überlebte Ida Fink verschiedene Selektionen in ihrer Heimatstadt und schließlich mit falscher Identität – als polnische Zwangsarbeiterin – in Deutschland. 1957 wanderte die studierte Musikerin von Polen nach Israel aus, wo sie 2011 starb.
Als Schriftstellerin debütierte sie spät; 1985 erhielt sie den erstmals verliehenen Anne Frank-Literaturpreis, 2008 den Israel-Preis für Literatur u.a.
Für Yad Vashem führte Ida Fink Interviews mit anderen Überlebenden. Neben ihren eigenen, authentischen Erfahrungen finden sich in „Der Tisch“ weitere Perspektiven und Zeugenschaften. Fiktiver Ausgangspunkt sind Zeugenbefragungen für einen Prozess gegen die Täter.

Die deutschsprachige Erstaufführung findet nun in einem Haus der Täter statt, in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, wo am 20. Januar 1941 die Besprechung zur „Endlösung der Judenfrage“ abgehalten wurde.
Am 20. Januar 2018 wird das Publikum dort, bei einem Gang durch die Ausstellung, erstmals eine Inszenierung von Ida Finks „Der Tisch“ zu sehen bekommen.

Es spiel-t-en Laura Mitzkus / Heidi Wagner, Isabella Szendzielorz / Astrid Kohlhoff, Tim Mackenbrock / Manolo Palma, Charles Toulouse; Christian Tietz inszeniert.

Deutschsprachige Erstaufführung am 20. Januar 2018 im Haus der Wannsee-Konferenz. Wiederaufnahme am 26. Januar 2019 im TAK, im Theater im Aufbau-Haus. – Im Anschluss an die Vorstellung am 27.1. fand eine Podiumsdiskussion statt: „Der Genozid von 1942 und der Antisemitismus von 2019.“  Mit Susanne Heim (Institut für Zeitgeschichte München), Gideon Botsch (Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam), Naomi Czernetzki (Halvorsen Schule Berlin), Gunnar Meyer (BildungsBausteine e.V.) – Den Flyer der Veranstaltung gibt es hier.

Am Sonntag, 21. Februar 2021 zeigten wir das Stück als Stream, auf dringeblieben.de  – Anschließend fand ein Publikumsgespräch auf Zoom statt: „Eine Massenerschießung, die Rechtsprechung und ein Theaterstück.“ Mit Dr. Tina Heidborn (Moderation; Osteuropa-Historikerin und Journalistin), Dr. Hans-Christian Jasch (Rechtshistoriker, Co-Autor „Der Holocaust vor deutschen Gerichten), Ingrid Damerow (Osteuropa-Historikerin; Recherche für die DEA im Haus der Wannsee-Konferenz) & dem Ensemble.

Kritiken der Erstaufführung: in der taz vom 22.01. (pdf) sowie im Neuen Deutschland vom 27/28.01. (pdf).

Mit freundlicher Unterstützung der Heinz und Heide Dürr Stiftung, der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz sowie dem Haus der Jugend Zehlendorf.

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Charles Toulouse, Isabella Szendzielorz, Tim Mackenbrock, Laura Mitzkus; Fotos: Kai Otte

ARG28. DAS HAUS UND DER TURM DER BLAUEN PFERDE

Unser Haus ist das in der Argentinischen Allee 28, gelegen zwischen Krumme Lanke und Mexikoplatz, mit einem großen Garten zum Waldsee. Es wurde 1910 für einen Unternehmer gebaut und 1949 zum Haus der Jugend gemacht. Gleich nach Kriegsende hatten es die Sowjets dem Bezirk Zehlendorf übergeben. Wie das?

Erzählen wir von den Bewohnern der ARG28, forschen wir nach ihnen, stellen wir sie dar! Was wollen wir mit ihnen zeigen: die großbürgerliche Besiedlung des Berliner Südwestens, den ungeklärten Mordfall von 1967, die Hausbesetzung von 1974? Oder die Verstrickung eines langjährigen Weggefährten Adolf Hitlers in das Attentat auf ihn, am 20. Juli 1944? (1938 hatte der Berliner Polizeipräsident die ARG28 zu seiner Dienstvilla gemacht.) Und wenn im Zentrum unseres Projektes ein Bild steht, ein weltberühmtes Gemälde, eine Ikone der Klassischen Moderne? Ein 16-jähriger Pfadfinder sah das Bild im Blockadewinter 1948/49 zum letzten Mal, in der ARG28, dann verliert sich die Spur von Franz Marcs „Der Turm der blauen Pferde“. Wie kam es hierhin, wohin verschwand es?

Im Verbund mit Historiker*innen und Künstler*innen machen sich Jugendliche auf die Spur – nach dem Grund ihres Ortes. Sie recherchieren und spielen. Mehr Infos finden sich hier.

Die Leitung haben Lena Hoffmann, Beate Niemann, Christian Tietz und Frank Zwintzscher.

ARG28 ist eine Koproduktion vom Haus der Jugend und dem Haus am Waldsee – Internationale Kunst in Berlin, sowie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und dem Recherchetheater Vajswerk.

Die Uraufführung war am 31. Mai 2017. Alle fünf Aufführungen waren am Ort des Geschehens zu sehen, im Haus der Jugend Zehlendorf, in der Argentinischen Allee 28.

Gefördert vom Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung.

Fotos: Joselyn Pennerton