Vom Interview zum dramatischen Text

Wie findet man als Schauspielerin einen Zugang zum Stück? “Großes Kino DDR” ist Lauras vierte Vajswerk-Produktion. Um ihren eigenen Erzählcharakter zu schaffen, greift sie zu einer für sie neuen Technik.

Mich fasziniert an “Großes Kino DDR”, dass es wie ein Kriminalfall ist, der bis heute noch Geheimnisse birgt. Wir versuchen bei Vajswerk über Dokumente und Interviews an die Wahrheit zu gelangen, bekommen sie aber nicht immer. Es fehlen Sachen, vieles ist bruchstückhaft. Auch Erinnerungen von Lebenden lassen sich nicht immer verifizieren.

In diesem Stück habe ich diesmal die Möglichkeit, eine Figur psychologisch zu erahnen und zu erarbeiten. Ich spiele/probe die damalige Freundin des getöteten Peter Reischs (welcher von Manolo Palma dargestellt wird). Diese Frau lebt, wir können mit ihr sprechen. Das ist ein großer Gewinn, eine Zeitzeugin zu befragen. 

Der Weg zum “großen Kino”

Doch hier geht es ja nicht nur um den besonderen Fall und die konkrete Geschichte. Es geht um ein ganzes Leben oder zumindest ein Lebensgefühl. Natürlich konzentrieren wir uns auf den Bericht der Historiker, doch oftmals sind es die kleinen und scheinbar unwichtigen Details, die einem dramatischen Text Leben einhauchen.

Zudem ergibt sich immer wieder Neues, verschiedene Antworten auf gleiche Fragen. Es ist wie bei einem Film, den man regelmäßig schaut, der einen aber nie langweilt, weil man immer wieder überrascht wird von gewissen Merkwürdigkeiten, die einem plötzlich ins Auge fallen.

Im Gegensatz zum Film ist es bei Vajswerk besonders schön, dass wir uns den historischen Zusammenhängen nicht anhand großer Ereignisse nähern, sondern kleiner. Und je konkreter wir werden, desto klarer wird das Bild einer Zeit, eines Ortes und seiner Menschen. Im besten Fall erzeugen wir damit ein sogenanntes Kopfkino bei den Zuschauer*innen.

Das ist erfüllend. So können wir die Erinnerung an die Zeit am Leben halten. Ich selbst kann kaum von DDR-Erfahrungen reden. Ich war ein Kind, als die Mauer fiel. Allerdings hat die intensive Beschäftigung mit der Zeit und den konkreten Biographien meine Einstellung zur DDR nicht geändert. Meine Meinung hat sich dadurch eher verfestigt.

Ich glaube aber, dass es dieses eine “öffentliche” Bild der DDR gar nicht gibt. Es gibt tausende. Und ich bin froh, dass das so ist. Ich glaube/hoffe, dass wir immer feinfühliger werden und mehr Ambivalenz aushalten. Doch oft sind wir schon damit überfordert, die Meinungen, Bilder und Menschen der Gegenwart zu verstehen. Manchmal wird es uns zu viel, dann wünschen wir uns ein Schwarz-Weiß zurück. Ambivalenzen auszuhalten, das ist Arbeit.

Die Suche nach der eigenen Sprache

So schön es ist, jemand Lebendigen zu befragen, desto schwerer wird es, sich zu lösen und zur eigenen Sprache zu gelangen. Das ist eigentlich der interessanteste Teil meiner momentanen Suche/Arbeit: die Sprache. Ich versuche mich in einer Art Audioselbstaufnahmetechnik. Die Interviews, einzelne Formulierungen oder auch schon durch Christian (Tietz, der Regisseur) verdichtete Entwürfe liegen vor mir, geschrieben oder auf dem Bildschirm, fast schon chaotisch.

Nun folgt die Tonaufnahme: Ich lese sie aber nicht Wort für Wort, sondern verbinde sie mit meiner eigenen Sprache, meinem eigenen Duktus. Es entwickelt sich dadurch ein anderer/neuer/eigener Erzählcharakter, der nicht so sehr nach einem geprüften, geordneten und folgerichtigen Gespräch/Interview klingt. Am Ende wird die Aufnahme transkribiert und auf Richtigkeit überprüft. Für mich ist das neu und ein guter Versuch.

Vor ein paar Monaten hatte ich Probleme, die ganze Geschichte zu entwirren (Projektleiterin Julia fasst sie in ihrem Beitrag kurz zusammen.). Ich wusste nicht, wer mit wem verwandt war und wann, was passiert ist. Da waren die anderen schon besser informiert. Jetzt wird das Bild klarer. Es freut mich, mit meiner „Selbstaufnahme“ auch am Text mitzuwirken. Und der Ausflug in den Harz bleibt mir in Kopf und Körper. Wir haben den genauen Punkt der Tötung im Wald mit einer Karte aus den 60er-Jahren gesucht.

Über mich

Mein Name ist Laura Mitzkus und ich bin Schauspielerin. Ich bin in Halle/Saale 1983 geboren und in Berlin aufgewachsen. Großes Kino DDR ist meine vierte Produktion bei Vajswerk.

Hier geht es zu den anderen Blogeinträgen: Projekt im Prozess – Großes Kino DDR.

VVK unter info[at]vajswerk.de. Eintritt: 10/7€.