NOCH SO JUNG, IM SOMMER 1962, ALS EINER GEHT, EINE BLEIBT, EINER SCHIESST.

Im Sommer 1962 waren sie 18, 19 und 21 Jahre alt. Als er weg wollte, von einem Deutschland ins andere. Als sie bleiben wollte; in der DDR war doch ihr Zuhause. Als ein Grenzsoldat dem Schießbefehl gehorchte und eine Flucht-, eine Lebens-, eine Liebesgeschichte beendete.

Diese Geschichte – die aus vielen Geschichten besteht – hat sich wirklich zugetragen. Sie spielt in einer kleinen Stadt bei Magdeburg, in Berlin vor und nach dem Mauerbau, im Harz, wo die Grenzanlagen doch noch nicht fest ausgebaut waren, es auf den einzelnen Menschen ankam. Und in Stuttgart, wo 1963 dem Todesschützen der Prozess gemacht wurde – ihm war nämlich die Flucht in den Westen geglückt. Noch so eine Geschichte.

Die Geschichte findet sich in den Erzählungen von Menschen, die Peter Reisch und Bettina Bönicke gekannt haben und in Archiven, in den Aussagen vor Gericht. Fritz H. will heute nicht darüber sprechen: „Die Sache ist erledigt.“ Ist sie das?

2020 hat das Recherchetheater Vajswerk die Geschichte erforscht und dargestellt – in den drei unterschiedlichen Perspektiven: Großes Kino DDR wird seit fünf Jahren immer wieder gespielt, deutschlandweit.

In 2026 werden nun Jugendliche ihre eigene Version der Geschichte erzählen. Sie machen sich auf Spurensuche, fahren nach Egeln, wo die Geschichte begann und nach Schierke, wo sie endete. Dabei kommen sie mit Zeitzeugen ins Gespräch und setzen mit Zeitzeugnissen ihr eigenes Stück zusammen – in ihrer ureigenen Form. Und zwar wie? Bitte schön: Dies ist eine Einladung zum Mitmachen!  Es werden noch Schulen oder Jugendeinrichtungen als Kooperationspartner gesucht; die Projektbeschreibung gibt es hier.

Wir werden erzählen, wie die Geschichte weitergeht!

  

Das Projekt wird gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Bundesprogramm „Jugend erinnert“, der Förderlinie SED-Unrecht, und der Bundesstiftung Aufarbeitung.

Foto: Das Gespräch mit Jugendlichen nach einer Aufführung von „Großes Kino DDR“ im Sommer 2025.

MIKROKOSMOS 1990

Das Jahr 1990 ist der Kern von Vajswerks neuer Erzählung der DDR-Geschichte. 2025 ist ein Jubiläumsjahr, viele werden sprechen. Alle wissen Bescheid, irgendwie, die einen werden ihr Erbe pflegen, die anderen ihre Wunden zeigen, Sonntagsreden werden gehalten; die meisten werden schweigen, gar nicht merken, dass unsere (gesamtdeutsche) Gegenwart vor 35 Jahren begann. Vajswerks Mikrokosmos 1990. Ende und Anfang eines Landes richtet sich sehr wohl an diejenigen, die damals dabei waren, aber vor allem an die Menschen, die dafür zu jung waren, so jung sind, wie die handelnden Personen im Recherche-Theater-Stück:

Vier junge Menschen stehen auf der Bühne, sie kommen aus vier Städten der DDR, es ist das Jahr 1990. Ja, sie kommen aus Leipzig und der Hauptstadt der DDR, aber auch aus Hoyerswerda und aus Wismar, auf dem Weg nach Rostock. Jede und jeder der Vier steht für ihre und seine Stadt; wenn sie Verstärkung brauchen, kommen die anderen hinzu. Das Publikum schaut auf jede einzelne Stadt und auf die ganze Republik, im Laufe eines Jahres. – Die Vier sind Schauspieler:innen, zu ihnen gehören vier Historiker:innen. Die Wissenschaftler:innen und die Künstler:innen recherchieren gemeinsam; im mehrmonatigen Arbeitsprozess entsteht ein multi-perspektivisches Theaterstück.

Die handelnden Personen kommen natürlich aus dem Jahr 1989. Sie haben die Massenproteste, die Staatskrise, den Beginn einer Revolution erlebt, sie haben eingegriffen oder einfach beobachtet. Wie geht jetzt – im Jahr 1990 – alles weiter – alles zuende? War das eigene Land, das sich endlich neu zeigte, so jung wie man selbst, plötzlich schon wieder alt? Bleibt einem nur die individuelle Freiheit und die Politik überlässt man jenen, die bald zu „denen da oben“ werden?

So erzählt Vajswerks Projekt auch von unserer Zeit. Mit der Zeit von damals, mittels einzelner Biografien, denen wir durch das Jahr folgen, in dem Deutschland eins wurde und sich in der Interpretation der Geschichte uneins bleibt.

Von und/oder mit Linda Fülle, Laura Mitzkus, Ulrike Müller/Greta Galisch de Palma, Stephan Thiel/Daniel-Frantisek Kamen; Maxie Jost, Katja Lehmann, Stefan Paul-Jacobs, Christian Tietz.

Die beiden Werkstattaufführungen in Berlin waren am 9. Juli im Theater unterm Dach und am 10. Juli im Haus der Jugend Zehlendorf. – Im Oktober (und Februar 2026) geht es an alle vier Orte des Mikrokosmos 1990: Berlin 09.10. Theater unterm DachRostock 10.10. Theater FreigeisterHoyerswerda 21.02.26 Stadtmuseum im SchlossLeipzig 14.10. Ost-Passage Theater – in Kooperation mit der Deutschen Nationalbibliothek. Einen Einblick in den Arbeitsprozess und das Bühnengeschehen geben Deutschlandfunk Kultur und radio3 und ein Gespräch auf RadioBlau sowie unser Hörstück, seit 3.10. on air:

Den Flyer gibt es hier.

Das Projekt wird gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung Aufarbeitung.

 

LASERSTEIN-REIHE

Vajswerks Laserstein-Reihe begann mit der Lotte Laserstein Ausstellung in der Berlinischen Galerie 2019, mit einem Kunstkurs der Halvorsen Schule, der ehemaligen Gertraudenschule, der Schule Käte Lasersteins. Die Schüler:innen gingen in die Ausstellung, malten an ihren Laserstein-Bildern, besuchten das Berliner Landesarchiv, hörten eine Laserstein-Schülerin über ihre Lehrerin berichten. Bei den Aufführungen von Die zwei Schwestern Laserstein befand sich an einem Ende der Aula die Schultafel, am anderen das Atelier mit Lasersteins Bildern.

In Lasersteins Orte 1&2 zogen zwei Schauspielerinnen mit vielen Briefen an die erste und letzte Adresse der Lasersteins in Berlin, vor die Stierstraße 19 und den Immenweg 7. Laserstein Ollendorff (Friedlaender) untersuchte in vier Projektformaten das Überleben dreier Frauen an geheimen Orten. Ein Kapitel West-Berliner Demokratiegeschichte wurde mit Käte Laserstein und ihren Schüler:innen in Gertraudens Kinder erzählt. – Den Abschluss der Reihe bildete zurück.bleiben mit dem Jahr 1954 als Ausgangspunkt, mit der Entscheidung, nach Deutschland zurückzukehren bzw. in Schweden, im Exil zu bleiben – uraufgeführt im Sommer 2024 im Garten und im Haus der Wannsee-Konferenz. – Mit dem Blick auf den Kalender fand die Reihe aber doch noch eine Fortsetzung: mit dem 125. Geburtstag von Käte Laserstein am 27. Mai 2025: mit tatsächlich vier Projekten, wovon eines den Inge-Deutschkron-Preis erhielt. 

Es entstanden u.a. Theaterstücke, Podcasts, ein Essay, eine Masterarbeit, eine Unterrichtsstunde zum Nachspielen und eine Lesemappe im Rahmen der Wanderausstellung ‚gefährdet leben‘, die 2023 im Deutschen Bundestag eröffnet wurde. – Hier eine Übersicht:

01: Schülerinnen und Schüler eines Kunstkurses der Gail S. Halvorsen Schule spielen Theaterszenen zum Abschluss ihres Projektunterrichts.

02: Zwei Schauspielerinnen stehen am Immenweg 7 und erkunden mittels Briefen einen der ‚Lasersteins Orte‘ – nachzuhören im Podcast.

03: Podcast-Folge 1 zu ‚Laserstein Ollendorff (Friedlaender)‘: Die Recherche

04: Folge 2: Die Biografien

05: Folge 3: Die Ergebnisse

06: Die Kurzbiografien von Käte Laserstein, Rose Ollendorff und Lucie Friedlaender

07: Der Podcast zu ‚Gertraudens Kinder‘: eine West-Berliner Schule im Nachkrieg

08: Die Radiosendung zu ‚Gertraudens Kinder‘

09: Der Essay zur West-Berliner Demokratiegeschichte anhand der Gertraudenschule

10: Die Masterarbeit zu den Briefen von Käte Laserstein an ihre Schwester

11: Die Lesemappe zu Käte Laserstein in der Ausstellung gefährdet leben

12: Die Geschichtstheaterstunde zum Nachspielen, zu Käte Laserstein

13: Das Interview in nd/Die Woche in der Vorbereitung auf ‚zurück.bleiben‘

14: Der Podcast von ‚zurück.bleiben‘ auf Soundcloud und Spotify

15: Ein Beitrag über Vajswerks Laserstein-Reihe erschien in der Herbstausgabe von Medaon – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung

16: Am 18. November 2024 wurden auf Initiative der Markus-Gemeinde neben dem Stolperstein in Gedenken an Meta Laserstein zwei weitere verlegt: zu Käte Laserstein und Rose Ollendorff.

17: Am 27. Mai 2025 – ja – feierten wir Käte Laserstein 125; zwei weitere Projekte schließen sich an, im Herbst 2025. Nachzuhören wäre das Kalenderblatt des Deutschlandfunks.

ZURÜCK.BLEIBEN

Käte geht zurück, Lotte bleibt. Das ist unser Stück. Es ist das Jahr 1954; wir sind in Stockholm. 1946 hatte Käte Laserstein Berlin und Deutschland verlassen und war zu ihrer Schwester nach Schweden gegangen – gezogen, geflohen? Lotte Laserstein hatte ihrerseits 1937 eine Ausstellung nutzen und ihr Werk und ihr Leben retten können. Käte überlebte mit zwei Freundinnen zuletzt in einer Laubenkolonie in Schmargendorf. Die Mutter – Meta Laserstein – wurde 1943 im KZ Ravensbrück ermordet. Das nahm Käte Laserstein mit nach Schweden; acht Jahre später ging sie zurück nach Deutschland und wurde wieder Lehrerin an einer Berliner Schule. Warum? Lotte blieb. Warum? Davon erzählt zurück.bleiben: Lotte und Käte Laserstein zwischen Verfolgung, Exil und Selbstbestimmung, Schweden und Deutschland.

zurück.bleiben ist der Abschluss von Vajswerks Laserstein-Reihe. Sie begann 2019 mit Die zwei Schwestern Laserstein, wurde 2021 mit Lasersteins Orte und 2022 mit Laserstein Ollendorff (Friedlaender) fortgesetzt. 2023 weiterte sich der Blick auf Gertraudens Kinder, während parallel für die Wanderausstellung – gefährdet leben wurde am 29.11.23 im Bundestag eröffnet – eine Lesemappe zu Käte Laserstein entstand.

zurück.bleiben recherchieren und spielen Laura Mitzkus und Charlotta Bjelfvenstam; für Dramaturgie und/oder Regie stehen Anna Carola Krausse und Christian Tietz. Assistenz: Clara Escalera.

zurück.bleiben wurde am 14. Juli 2024 im Garten und im Haus der Wannsee-Konfernz uraufgeführt. – Im Oktober 2024 boten wir drei Zusatzvorstellungen an,  wieder in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz;  den Flyer gibt es hier und der  Podcast  ist auf Soudcloud und Spotify zu hören.

Zuvor waren wir in Stockholm und  präsentieren unser Projekt på svenska: onsdag, 6/3 kl. 19 på Hjorthagens Kulturhus. Die Berliner Auftaktveranstaltung war am 18.04., 18 Uhr im Haus der Wannsee-Konferenz.

Fotos © Lena Obst

 

 

 

#geschichte_schreiben

Wir stellen uns etwas vor, was es so nicht gibt: zum Tag der Europäischen Erinnerungskultur lädt der Verein für Völkerverständigung zu einem Symposion. Man erwartet sich Impulsreferate unter dem schlichten Titel „Ein Land und seine Verantwortung vor der Geschichte.“ Vier Universitätsdozent:innen werden in Berlin erwartet: vom Südeuropa-Institut, vom Südosteuropa-Institut, vom Nordeuropa-Institut und vom Institut für Germanistische Studien. Die vier Vortragenden beginnen staatstragend, mit der offiziellen Geschichtsschreibung, zum Mitschreiben. Dann melden sich Stimmen, die das jeweilige Geschichtsbild verrücken, es aus dem Rahmen treten lassen. Es gibt sie ja nicht, die Eine Erzählung, die Eine Position, Perspektive.

Das Recherchekollektiv Vajswerk zeichnet sich seit sieben Jahren durch Projekte aus, in denen Geschichte erforscht und dargestellt wird, multi-perspektivisch. Mit #geschichte_schreiben wird nun die Probe auf das Exempel gemacht: wie aus Geschichte Politik wird, wie manche Ereignisse für das historische Gedächtnis konstitutiv und manche verworfen, „vergessen“ werden. Im Zusammenspiel mit vier Historiker:innen verfolgen vier Schauspieler:innen geschichtspolitische Diskurse in Europa und laden Ende April 2023 zu einem fiktiven Symposion, zu einem richtigen Theaterabend: im historischen Saal der deutschen Kapitulation 1945, im heutigen Museum Berlin-Karlshorst.

Mit: Ines Miro, Laura Mitzkus, Christian Erdt, Charles Toulouse; Dr. Ursula Rütten, Hanna Sjöberg, Stefan Paul Jacobs, Dr. Lucas Hardt; Felicitas Braun, Renske de Vries, Christian Tietz. – Foto von Lena Obst ©

Uraufführung am 22. April 2023; weitere Aufführungen am 23./29./30. 04; 19 Uhr im Museum Berlin-Karlshorst.

Den Flyer gibt es hier und die Pressemappe hier; die Texte der Expert:innen können hier eingesehen werden. Begleitend entstand dieser 6-teilige Podcast, nachzuhören auf Soundcloud:

 

 

 

#geschichte_schreiben wird gefördert durch den Fonds Darstellende Künste im Rahmen von „Neustart Kultur“ sowie der LIRI-Stiftung.

 

Fotos von Lena Obst ©

 

 

 

 

 

HÄUTUNGEN FRANZ FÜHMANNS

Für die einen ist Franz Fühmann der größte Autor der DDR und anderen ist er schlichtweg unbekannt. Fühmann selbst beschrieb sich in seinem Testament (1984) als gescheitert: „In der Literatur und in der Hoffnung auf eine neue Gesellschaft, wie wir sie alle einmal erträumten.“

Diesen Lebensweg vermisst Vajswerk nun in einem Recherche-Theater-Projekt. Am Anfang steht ein junger Mann, der sich aus seinen Erfahrungen als Hitlerjunge und Wehrmachtssoldat bewusst für den Sozialismus entschieden hat – und sich dem Neuen Deutschland als Schriftsteller und Parteipolitiker in den Dienst stellt. Und der zunehmend in Konflikt gerät – mit seinem Staat, seinem Werk, seiner Wandlung und sich fortan schreibend die Haut abzieht, den Ort der Seele suchend.

Dies zeigt Vajswerk anhand von zum Teil unbekannten Dokumenten im Spiel eines Schauspielers und einer Schauspielerin als Gegenspielerin – im historischen Berlin-Saal der Berliner Stadtbibliothek in Berlin-Mitte.

Parallel zu den Aufführungen entsteht Ende 2023 ein vierteiliger Podcast. Eine Stunde vor Vorstellungsbeginn wurden zudem Führungen durch Fühmanns Arbeitsbibliothek angeboten.

Es spielen und/oder recherchieren: Christian Erdt und Laura Mitzkus; Kristin Schulz, Isabel Fargo Cole, Silas Dörken und Christian Tietz (Inszenierung); Katja Lehmann (Podcast) Fotos: © Lena Obst

Uraufführung am 29.11. 1.12. 5.12. 6.12.23 – 19 Uhr

Berlin-Saal der Berliner Stadtbibliothek, Breite Str.36, 10178 Berlin

Am 8.12. fand ein öffentliches Nachgespräch statt, um 18 Uhr, ebenfalls in der Berliner Stadtbibliothek, im Erdgeschoss, Kleiner Säulensaal, Breite Str.36

Am 22.2.24 stellten wir unser Projekt im MGH Franz Fühmann in Märkisch Buchholz vor.

Vor 40 Jahren wurde Franz Fühmann auf dem Friedhof in Märkisch Buchholz begraben. Am Dienstag, 16.07.24, fand um 18 Uhr eine Veranstaltung mit Texten und Gästen im MGH Franz Fühmann statt: eine Beerdigung als Demonstration?

Im Sommer 2025 reisten wir zu Fühmanns Geburtsort, ins tschechische Rokytnice nad Jizerou. Davon werden wir berichten und weitere Spuren vom Ende zum Anfang aufnehmen: am Freitag, 05.12.25 in Märkisch Buchholz, um 18 Uhr im MHG Franz Fühmann.

Die erste Episode des Podcasts ist online! — Die Episode#2 gibt es auf Soundcloud hier und auf Podcaster hier — Die Episode#3 auf Soundcloud hier und auf Podcaster hier — Die Episode#4 auf Soundcloud hier und auf Podcaster hier — Und das Programmheft gibt es hier — Und den Flyer hier

Häutungen Franz Fühmanns wird gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Die Fotos von © Lena Obst zeigen Laura Mitzkus und Christian Erdt

LASERSTEIN OLLENDORFF (FRIEDLAENDER)

Nach Ollys Tod wartet Käte nachts auf deren Erscheinung, ein Versuch ist es wert, wo der Schmerz doch so groß ist. Olly konnte sich wachend mit Lucie unterhalten, „unserer ‚Dritten‘, die sich das Leben nahm“, kurz nach der Befreiung im Sommer 1945.

Käte Laserstein, Rose Ollendorff (Olly) und Lucie Friedländer lebten drei Jahre als sogenannte U-Boote in Berlin. Sie waren als Jüdinnen verfolgt und konnten in wechselnden Wohnungen und einer Gartenlaube überleben.

LASERSTEIN OLLENDORFF (FRIEDLAENDER) macht sich zum einen auf die Spur dieser drei Frauen, recherchiert nach ihren Biographien. Zum anderen geht es um die Formen der Erinnerung: die der drei an die Bedrohung, die der beiden an Neubeginn und Suizid, die der einen an die Geliebte – sowie, für uns: die Form der Darstellung von Erinnerung.

LASERSTEIN OLLENDORFF (FRIEDLAENDER) ist eine Fortschreibung von „Lasersteins Orte 1&2“, als am authentischen Ort die Geschichte von Lotte und Käte Laserstein gezeigt wurde, der Malerin und der Germanistin. „Lasersteins Orte 3“ wäre die Laube in Schmargendorf, das Versteck von Käte Laserstein, Rose Ollendorff und Lucie Frielaender. An diesem Ort werden wir uns mit Publikum verabreden. Wie in der Aula von Käte Lasersteins ehemaliger Schule. Käte Laserstein und Rose Ollendorff wurden nach der NS-Zeit wieder Lehrerinnen und unterrichteten die Kinder ihrer Verfolger, zumeist.

Wie sieht so ein Leben aus; welche Gestalt verleihen wir heute den damals Lebenden? LASERSTEIN OLLENDORF (FRIEDLAENDER) – vormals: Käte und Olly (und Lucie) – untersucht dies und versucht Antworten in vier unterschiedlichen Formaten. Ende 2022. Mit Laura Mitzkus, Greta Galisch de Palma; Felicitas Braun, Christian Tietz. – Gefördert vom Fonds Darstellende Künste im Förderprogramm „#TakeHeart“. – Den Flyer gibt es hier.

Und seit 25.Dezember ist der Podcast online! Zu hören auf Soundcloud, auf Spotify oder via RSS-Feed. – Die im 2. Teil des Podcast erwähnten Kurz-Biografien gibt es hier.

19.11.22: Spaziergang

 

 

 

25.11.22: Geschichtsstunde

 

 

 

29.11.22: Theatervorstellung

 

 

 

25.12.22: Podcast

JUNI-BRIEFE

Es gibt diese Briefe, aus dem Sommer 1941. Es ist Krieg und Boris, Pawel, Anton, Mali, Jejda und Elena schreiben an ihre Eltern, ihre Kinder, ihre Freundinnen, ihre Frau. Sie schreiben Briefe und wissen nicht, ob diese ihr Ziel erreichen, ob die Adressaten noch leben, ob sie selbst noch leben, wenn ihr Brief gelesen wird. Sie schreiben verzweifelte Briefe, mutmachende Briefe, Liebesbriefe, Abschiedsbriefe.

Diese Briefe gelangten in die Post von Kamenez-Podolsk und gingen kriegsbedingt nicht mehr heraus. Am 22. Juni 1941 hatte Deutschland die Sowjetunion überfallen, am 9. Juli wurde die west-ukrainische Grenzstadt besetzt. 1.215 ungelesene Briefe kamen als Beutegut ins Deutsche Reich und kehrten erst 2010 in die Ukraine zurück. Das Nationalmuseum für Geschichte in Kiev forschte nach diesen Briefen – ihren Absendern und Empfängern – und machte daraus eine Ausstellung, die in deutscher Fassung im Sommer 2016 in Berlin zu sehen war, im Deutsch-Russischen Museum.

Fünf Jahre später, zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, ist in Karlshorst eine Theatervorstellung der Juni-Briefe zu sehen – draußen, im Garten auf der Terrasse sprechen drei Schauspieler:innen diese sachlichen, aufgewühlten, persönlichen und herzzerreißende Worte; ein Cellist begleitet sie: Laura Mitzkus, Charles Toulouse, Manolo Palma; Anton Peys. Christian Tietz inszeniert.

Die Vor-Premiere fand am 24. Juni in Weimar als Veranstaltung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora statt. Einen Tag zuvor waren Ausschnitte im Brandenburger Landtag anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion zu sehen: www.landtag.brandenburg.de

Vier Vorstellungen gab es in Berlin zu sehen, im Museum Karlshorst, das auch unser Projekt dankenswerterweise förderte. 

https://youtu.be/foNRryFBUxY?t=3689
 

DER SOMMER NACH DEM KRIEG. Stimmen aus Europa 1945.

Im Sommer 1945 ▶ lernt eine junge Deutsche Demokratie, Schlangestehen, Wildkräuterspinatkochen ▶ macht sich ein aus der Gefangenschaft entlassener Wehrmachtssoldat auf den Weg zur Universität ▶ beobachtet ein amerikanischer Besatzungssoldat, wie die jüdische Ehefrau des Festredners der Eröffnungsfeier jener Universität selbstverständlich fernblieb ▶ beginnt die dreimonatige Fahrt eines russischen Jungen aus der Zwangsarbeit in seine zerstörte Heimat ▶ sieht eine Überlebende der Leningrader Blockade ihren Vater wieder ▶ soll der ehemalige jugoslawische Zwangsarbeiter zu Hause vom Polarlicht in Norwegen berichten ▶ führt ein Cellist Tagebuch über eine Tournee durch die Ukraine ▶ suchen die US-Soldaten am Alexanderplatz nach Kaviar und die Rotarmisten bekommen dafür Nylons, Uhren, Präservative, Whisky ▶ kommen statt der Russen plötzlich die Franzosen ins Reinickendorfer Freibad ▶ verfolgt ein Soldat der Royal Army die Mühen der Reeducation ▶ bittet eine in der Illegalität überlebt habende „Sternträgerin“ die Berliner Behörden um Wiedereinstellung in den Schuldienst ▶ verlässt ein zehnjähriger Junge sein Versteck, das er erst als alter Mann wieder aufsucht: „Ich frage mich, ob das Leben im allgemeinen nicht zwischen Erinnern und Vergessen, einem Versinken der Welt im Vergessen, und der fortdauernden Bemühung verläuft, das Vergangene zu bewahren, das nicht mehr ist: Menschen und Dinge, Orte und Situationen.“ [Michał Głowiński] ◀ Wir geben Echo, im Sommer 2020. – Und vielleicht auch im Sommer 2021.

Drei Historiker*innen lasen und recherchierten, drei Schauspieler*innen sprechen und spielen: Ingrid Damerow, Julien Drouart, Stefan Paul-Jacobs; Laura Mitzkus, Manolo Palma, Charles Toulouse; Christian Tietz inszeniert.

Die Veranstaltungen am 8./9. und 15./16. August  waren allesamt ausverkauft – am historischen Ort der deutschen Kapitulation, im heutigen Museum Berlin-Karlshorst, das unser Recherche-Theater-Projekt auch freundlich unterstützte.

Im Mai 2025 zeigen wir DER SOMMER NACH DEM KRIEG in veränderter Form: mit einer stärkeren Ausrichtung nach Mittel-, Ost- und  Südost-Europa sowie einer anschließenden Podiumsdiskussion – als Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung: „Der Sehnsucht leisten Ängste Gesellschaft“  am 22. Mai um 18 Uhr im Panoramaraum der taz, , in der Berliner Friedrichstraße 21.

Den Flyer zum Stück finden Sie hier.

GROSSES KINO DDR

Einen historischen Fall – und mutmaßlichen Filmstoff – nimmt das Recherchetheater Vajswerk zum Ausgangspunkt für seine neue Darstellung von DDR-Geschichte und dessen Rezeption. An der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst zeigte bereits TAMARA BUNKE. EINE HELDIN WIRD GEMACHT die Wechselwirkungen von Biographie und Instrumentalisierung. Die konkrete Geschichte einer tödlichen Republikflucht wird nun in GROSSES KINO DDR zur Auseinandersetzung mit dem zentralen Begriff von deutscher Teilung und Einheit: mit dem Begriff Freiheit und dessen politischer und gesellschaftlicher Deutung. „Er wollte nur die Freiheit“ heißt es auf dem Denkmal für den erschossenen Peter Fechter, das zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer errichtet wurde.

Im Kalten Krieg erklärte Axel Cäsar Springer die an der innerdeutschen Grenze erschossenen Flüchtlinge für „Gefallene im deutschen Freiheitskrieg“. Gilt dies auch für Peter Reisch, der am 5. Juni 1962 an den Sperranlagen im Harz tödlich verwundet wurde? Dem Todesschützen – der zuerst geehrt wurde und dann seinerseits in den Westen floh – wurde ein Jahr später in Stuttgart der Prozess gemacht: Das Urteil gegen F. H. wurde zum ersten gegen die sogenannten Mauerschützen. Zu diesen beiden Männern gehört auch eine Frau; ein Brief an sie stecke in der Jackentasche des Republikflüchtlings. In der Heimat fest verwurzelt, geriet sie zwischen die Fronten und lebt heute in Thüringen.

Die Geschichte dieser drei ist ein Stoff, aus dem großes Kino gemacht wird, das dem DDR-Bild eines millionenfachen Publikums entspricht. Beispiele hierfür gib es zahlreiche in der Populärkultur, im gesellschaftspolitischen Mainstream: Freiheitswille versus Repression; DDR-Geschichte dient heute als Folie zur Legitimierung unserer freiheitlichen Gegenwart.

Vajswerk untersucht nun einerseits das Narrativ von Freiheit, Unterdrückung und Flucht in den 40 Jahren der Teilung und den 30 Jahren der Einheit und beschäftigt sich andererseits mit dem authentischen Fall – und den Folgen jener Schüsse aus dem Sommer 1962.

Hier finden Sie drei der zehn Puzzleteile der Inszenierung für das Heimkino:

Mit bzw. von: Laura Mitzkus, Charles Toulouse, Manolo Palma, Markus von Schwerin; Julia Jägle, Mirko Winkelmann, Stefan Paul-Jacobs, Anne Decker, Christian Tietz; Paul Fenski, Mareike Trillhaas.

Die Uraufführung war am 29. Oktober 2020 in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde; am 12. November 2020 war das Stück als Stream zu sehen, zur Prime Time um 20:15. Im Sommer 2022 gab es eine Wiederaufnahme, eine regelrechte Tour: an drei Orten in Berlin sowie in Erfurt, Stuttgart und Egeln. Eine eigene Jugendfassung zeig(t)en wir  am 1.&2.Dezember 2022, am 6.&7. Juli 2023 sowie am 5.&6. Dezember 2024 und aktuell am 8.&11. Juli 2025 – im Haus der Jugend Zehlendorf; am 8.7. um 19:00 &  am 11.7. um 09:00 und 12:00. – Außerdem machten wir uns im April 2024 auf zu einer 2. Deutschlandtour, mit besagter Jugendfassung. 2.4. Halle/Roter Ochse  – 3.4. Egeln/Schule an der Wasserburg – 5.4. Helmstedt/Arbeiterwohlfahrt – 12.4. Berlin, Felix-Mendelsohn-Bartholdy-Gymnasium – 22.4. Rathenow/Kulturzentrum.


Projekt im Prozess: der Blog zu Großes Kino DDR

Großes Kino DDR – Wie alles begann

Nicht nur Schauspieler, sondern auch Rechercheur

Vom Interview zum dramatischen Text

I shot the refugee

Zwischen Telefon, Archiv und Zeitzeugen

Der Fall F.H., die „DDR“ und ihre Aufarbeitung

Schreiben ist Zuhören

Das Ende aller Liebeslieder

Und dann fragten sie sich selbst

„Wir machen gleich Einlass!“


Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, vom Fonds Darstellende Künste im Förderprogramm „#takeheart“ sowie vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf/KiA: Berliner Förderung der darstellenden Künste für ein junges Publikum.

Den Flyer zur Uraufführung finden Sie hier. Den Flyer zur Tour und Wiederaufnahme im Sommer 2022 finden Sie hier.